Institutioneller Rassismus ist eine unsichtbare Mauer. Er zeigt sich nicht immer in offenen Beleidigungen oder Gewalt. Oft wirkt er leise, versteckt – aber konsequent. Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene mit Migrationsgeschichte spüren ihn dennoch: in der Schule, beim Arzt, auf dem Arbeitsmarkt oder gegenüber der Polizei. Dabei geht es nicht zwingend um die Absicht einzelner Personen – sondern um Strukturen, Regeln und Praktiken, die bestimmte Gruppen systematisch benachteiligen.
Was ist institutioneller Rassismus?
Institutioneller Rassismus beschreibt Formen der Diskriminierung, die in staatlichen oder gesellschaftlichen Strukturen eingebettet sind. Es geht um Ungleichbehandlung, die durch Gesetze, Vorschriften, Entscheidungsprozesse oder Verwaltungspraxis entsteht – häufig unbeabsichtigt, aber mit realen Folgen.
Beispielhaft kann das sein:
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Wenn Kinder mit nicht-deutschem Namen in der Schule seltener für höhere Bildungswege empfohlen werden,
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wenn Jugendliche mit dunkler Hautfarbe häufiger von der Polizei kontrolliert werden (sogenanntes "racial profiling"),
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oder wenn Behörden überproportional oft Leistungen kürzen oder Asylanträge abweisen, weil kulturelles Wissen fehlt oder Misstrauen dominiert.
Wie erleben junge Menschen diesen Rassismus?
Schon im Kindergartenalter beginnen erste Erfahrungen mit institutioneller Benachteiligung. Studien zeigen, dass Erzieher*innen Kindern mit Migrationshintergrund – bewusst oder unbewusst – weniger zutrauen.
Bildungssystem:
Laut einer Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) werden Kinder mit Migrationshintergrund trotz gleicher Leistungen seltener für das Gymnasium empfohlen. Besonders betroffen sind Kinder mit türkischem oder arabischem Namen. Diese Benachteiligung verstärkt sich im Lauf der Schulzeit: schlechtere Noten, weniger Förderung, häufiger Schulabbruch.
Ausbildungs- und Arbeitsmarkt:
Das Institut zur Zukunft der Arbeit (IZA) fand in einer Studie heraus, dass Bewerber*innen mit ausländisch klingendem Namen deutlich weniger Einladungen zum Vorstellungsgespräch erhalten – bei gleicher Qualifikation. Das trifft besonders junge Erwachsene beim Übergang von der Schule ins Berufsleben.
Polizeiliche Kontrollen:
Jugendliche mit sichtbarem Migrationshintergrund berichten regelmäßig von häufigeren und oft grundlosen Kontrollen. Der Begriff „racial profiling“ beschreibt dieses Muster. Eine Studie des Deutschen Zentrums für Integrations- und Migrationsforschung (DeZIM) zeigt, dass viele junge Menschen dadurch das Vertrauen in staatliche Institutionen verlieren.
Erfahrungen aus dem Alltag – Stimmen der Betroffenen
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„Ich habe die besten Noten in Mathe geschrieben. Trotzdem wurde ich nur für die Realschule empfohlen – die Tochter der Lehrerin war übrigens in meiner Klasse.“ – Leila, 17, Tochter iranischer Eltern
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„Ich bin in Deutschland geboren, studiere Jura. Trotzdem spricht mich die Polizei an der S-Bahn an und fragt nach meinem Ausweis – mein blonder Kumpel nicht.“ – Kamal, 23, mit libanesischem Hintergrund
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„Ich hatte nach über 100 Bewerbungen endlich ein Vorstellungsgespräch. Als ich da war, hat man mich angesehen, als wäre ich falsch. Sie meinten, die Stelle sei schon besetzt.“ – Emir, 19, Ausbildungssuchend, bosnischer Herkunft
Woran liegt das? Ursachen institutioneller Diskriminierung
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Unbewusste Vorurteile: Viele Entscheidungsträger*innen handeln nicht mit böser Absicht – doch „implicit bias“ (unbewusste Vorurteile) beeinflussen Entscheidungen massiv.
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Fehlende Vielfalt in Institutionen: In Behörden, Schulen oder bei der Polizei sind Menschen mit Migrationshintergrund stark unterrepräsentiert – und damit auch ihre Perspektiven.
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Keine konsequente Überprüfung von Entscheidungen: Es fehlt an Kontrollmechanismen, um strukturelle Benachteiligung zu erkennen und zu korrigieren.
Was kann die Gesellschaft dagegen tun?
Diversität fördern
Institutionen wie Schulen, Polizei und Verwaltungen müssen vielfältiger werden – in der Zusammensetzung des Personals, aber auch in ihrer Denkweise.
Antirassismustrainings verpflichtend machen
Ob Lehrerin, Polizistin oder Sozialarbeiter*in – regelmäßige Schulungen zu Rassismus, Vorurteilen und Diskriminierung sollten Standard sein.
Beschwerdemechanismen schaffen
Menschen müssen die Möglichkeit haben, sich niedrigschwellig und anonym über institutionelle Diskriminierung zu beschweren – und ernst genommen zu werden.
Daten erfassen, analysieren, handeln
Deutschland braucht ein umfassendes Monitoring von Diskriminierung – wie es etwa in Großbritannien seit Jahren praktiziert wird.
Aufklären, zuhören, handeln
Gesellschaftliche Veränderung beginnt im Alltag: durch Gespräche, Aufmerksamkeit und die Bereitschaft, eigene Privilegien zu reflektieren.
Fazit: Die Wirkung zählt – nicht die Absicht
Institutioneller Rassismus ist oft subtil – aber die Folgen für Betroffene sind tiefgreifend. Er hemmt Entwicklung, beschädigt Vertrauen in den Staat und zementiert Ungleichheit. Kinder und Jugendliche, die ständig spüren, „anders“ behandelt zu werden, wachsen in einem Klima auf, das sie klein hält.
Deshalb braucht es einen gesellschaftlichen Wandel – nicht aus Schuldgefühlen, sondern aus dem Verständnis heraus, dass echte Gerechtigkeit nur entsteht, wenn die Regeln für alle gleich gelten. Auch – und gerade – dort, wo man sie nicht sofort sieht.
Quellen und weiterführende Literatur:
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Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung (DIW): https://www.diw.de
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IZA – Institut zur Zukunft der Arbeit: https://www.iza.org
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DeZIM – Deutsches Zentrum für Integrations- und Migrationsforschung: https://www.dezim-institut.de
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Studie zu „racial profiling“ (GFF / Humboldt Law Clinic): https://freiheitsrechte.org
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Bundeszentrale für politische Bildung (bpb): Themenseite „Institutioneller Rassismus“
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Kategorie: Rassismus & Gesellschaft
von: Yildz Fluksik, Vibe X Foundry Initiative für kreative Jugendbildung & Empowerment
Lesezeit: ca. 6 Minuten
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